Jahr 2025
Pflegekonferenz im Landkreis Darmstadt-Dieburg: Starke Beteiligung und wichtige Impulse zur Notfallversorgung
26.06.2025
Darmstadt-Dieburg. Volles Haus bei der Pflegekonferenz Mitte Juni im Landkreis Darmstadt-Dieburg: Zahlreiche Interessierte aus Pflege, Verwaltung und Zivilgesellschaft folgten der Einladung zur Veranstaltung. Der Fokus lag in diesem Jahr besonders auf der Notfallversorgung in der häuslichen Pflege – ein Thema, das viele bewegt und mit realen Herausforderungen verbunden ist.
In einer Gesellschaft, die stetig älter wird, wird das Thema Pflege zu einer der zentralen sozialen Herausforderungen unserer Zeit. Immer mehr Menschen sind im Alter auf Unterstützung angewiesen – sei es durch Angehörige, professionelle Dienste oder nachbarschaftliche Netzwerke. Doch das System steht unter enormem Druck: Fachkräftemangel, unzureichende Finanzierung, überlastete Strukturen und fehlende Angebote vor Ort treffen auf eine wachsende Zahl pflegebedürftiger Menschen. Pflege betrifft dabei nicht nur die direkt Betroffenen, sondern ganze Familien, Nachbarschaften und Kommunen. „Gerade deshalb sind regelmäßig stattfindende Pflegekonferenzen von großer Bedeutung. Sie schaffen Raum für Austausch, Vernetzung und Lösungsansätze – über Professionen, Institutionen und politische Ebenen hinweg. Hier treffen Praxiswissen, wissenschaftliche Erkenntnisse und politische Verantwortung aufeinander – mit dem Ziel, die Pflege vor Ort gemeinsam zu gestalten und zu stärken“, sagte Gabriele Kühnle, Fachbereichsleiterin Soziales und Teilhabe beim Landkreis Darmstadt-Dieburg bei der Begrüßung der Teilnehmenden der Pflegekonferenz.
Notfallsituationen in der häuslichen Pflege
Besonders aufmerksam verfolgten die Teilnehmenden den Vortrag von Fatma Yilmaz, Fachteamleiterin des Pflegestützpunkts im Landkreis. Sie beleuchtete eindrücklich die Problematik notfallbedingter Situationen in der häuslichen Pflege: „Was passiert, wenn plötzlich niemand mehr da ist, um die Pflege zu übernehmen? Angehörige, Freunde und Bekannte sind oft die ersten Helfer – aber was tun, wenn das soziale Netz versagt?“ Yilmaz plädierte für mehr Sensibilisierung, konkrete Vorsorge durch Notfallmappen und eine Ausweitung der Steuerungsmöglichkeiten für Leitstellen.
Auch Ulrich Rauch, Fachgebietsleiter für Altenhilfe, Altenplanung, Büro für Senioren, Pflegestützpunkt und Wohnen, betonte die Dringlichkeit: „Wir brauchen ein Netzwerk aus Notfallhelfern und sogenannte 'Kümmerer', die kurzfristig einspringen können. Eine koordinierende Stelle für Notfallsituationen fehlt bislang – hier besteht akuter Handlungsbedarf.“
Geriatrische Versorgung im Landkreis Darmstadt-Dieburg
Ein zentrales Thema der Pflegekonferenz war auch die geriatrische Versorgung im Landkreis – ein Bereich, der angesichts der demografischen Entwicklung zunehmend in den Fokus rückt. Dr. Jürgen Heins und Dr. Fabian Schneider, Chefärzte der Geriatrie an den Kreiskliniken Darmstadt-Dieburg, stellten das spezialisierte Angebot der Klinik für Geriatrie am Standort Groß-Umstadt vor und machten zugleich deutlich: Die Anforderungen an eine altersgerechte medizinische Versorgung wachsen – und mit ihnen die strukturellen Herausforderungen.
„Geriatrie ist mehr als Medizin im Alter“, betonte Dr. Schneider. „Es geht um ein ganzheitliches Verständnis von Versorgung, das medizinische Behandlung, pflegerische Unterstützung, soziale Stabilisierung und Rehabilitation miteinander verbindet.“ Die geriatrische Abteilung der Kreiskliniken bietet genau das: spezialisierte Behandlung für ältere Patientinnen und Patienten mit komplexen, meist chronischen Erkrankungen und funktionellen Einschränkungen, um deren Selbstständigkeit zu erhalten oder wiederherzustellen. Gleichzeitig machten die Chefärzte klar, dass die Geriatrie nicht für akute Notfälle gedacht ist. Dr. Heins sagte: „Immer häufiger erleben wir, dass ältere Patientinnen und Patienten in Situationen, die eine stationäre pflegerische Versorgung notwendig machen, aufgrund fehlender Pflegekapazitäten, in die Klinik für Geriatrie eingewiesen werden, ohne dass eine akute Erkrankung vorliegt.“ Diese Fehlsteuerungen zeigen den hohen Koordinierungsbedarf innerhalb des Gesundheitssystems – besonders bei älteren Menschen mit mehreren Erkrankungen.
Um dem steigenden Versorgungsbedarf gerecht zu werden, plädierten die Chefärzte für eine engere Verzahnung stationärer und ambulanter geriatrischer Angebote. Ziel müsse es sein, die bestehenden Strukturen effektiver zu nutzen, insbesondere im Hinblick auf Notfälle, für die passgenaue geriatrische Lösungen bislang weitgehend fehlen. Darüber hinaus forderten sie die Etablierung eines sektorenübergreifenden geriatrischen Versorgungsnetzwerks, das Bedarfe besser koordiniert und Schnittstellen im System schließt.
Ein weiteres zentrales Anliegen der Ärzte ist die stärkere politische und gesellschaftliche Sichtbarmachung der Belange hochaltriger Menschen: „Wir brauchen mehr Lobbyarbeit für die Ältesten unserer Gesellschaft – damit ihre Bedürfnisse nicht untergehen, sondern gezielt aufgegriffen und versorgt werden können“, so Dr. Schneider und Dr. Heins.