Arbeiten trotz Gesundheitsproblemen? Mit dem Projekt Rehapro SPURWECHSEL den Alltag wieder selbst meistern!

Leitgedanke des Bundesprogramms rehapro

„Prävention geht vor Rehabiliation und Rehabilitation vor Rente.“

Projekthintergrund

Die Zahlen von Menschen mit Erwerbsminderungsrente und mit Eingliederungs- bzw. Sozialhilfe steigen. In 2018 wurden am Standort Darmstadt-Dieburg rund 1.600 Personen mit gesundheitsbezogenen Vermittlungshemmnissen gezählt. Diese Zahl verdeutlicht den hohen Bedarf nach einem neuen, ganzheitlichen Angebot zum Themenkomplex Arbeit und Gesundheit.

Im Rahmen des Programms „Innovative Wege zur Teilhabe am Arbeitsleben - rehapro“ stellt der Bund eine Milliarde Euro mit dem Ziel bereit, innovative Leistungen und organisatorische Maßnahmen zu erproben, um die Erwerbsfähigkeit von Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen besser erhalten bzw. wiederherstellen zu können. Erfolgreiche Erkenntnisse sollen flächendeckend umgesetzt werden.

In 2019 sind 61 Modellprojekte bundesweit an den Start gegangen. Im Land Hessen gibt es bisher sechs rehapro- Projekte, mit der Kreisagentur für Beschäftigung (KfB) Landkreises Darmstadt-Dieburg als ersten Projektempfänger.

Zusammen mit dem ausführenden Projektträger, dem Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft (BWHW), möchte der Landkreis neue Wege zur Stärkung der Rehabilitation gehen.

Die erprobten Wege und gewonnenen Erkenntnisse sollen wissenschaftlich dokumentiert und bewertet werden, um sie anschließend in regelhafte Strukturen überführen zu können. Damit dies gelingt, beinhaltet rehapro Spurwechsel – neben einer Programmevaluation auf Bundesebene – eine eigene wissenschaftliche Begleitung über die gesamte Projektlaufzeit, die von der Forschungsstelle des BWHW in enger Abstimmung mit der KfB durchgeführt wird.

Mit der Perspektive, Versorgungslücken zu schließen, werden förderpolitische Maßnahmen erprobt, um nahtlose und schnellere Übergänge von der Rehabilitation zur Arbeitsmarktintegration zu erzielen und passgenaue, regionale Versorgungsstrukturen aufzubauen. Bewährte Strukturen der Gesundheits- und Arbeitsmarktförderung sollen dauerhaft in der KfB (Jobcenter) etabliert werden.

Eine zentrale Innovation in „Spurwechsel“ ist die „Aufsuchende Arbeit“ im Lebensumfeld der Kunden*innen. Menschen, die von alleine den Weg in die KfB nicht mehr schaffen, werden zu Hause „abgeholt“ und dort unterstützt.

Projektziele

  • Erreichen von erwerbsfähigen Leistungsbeziehenden, die bisher nicht in angemessener Weise gefördert werden konnten, z.B. dauererkrankte Personen (chronische, psychische, Sucht-Erkrankungen) oder Personen mit unklarem Reha-Anspruch.
  • Erhalt bzw. Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit, Entgegenwirken einer drohenden (Teil-) Erwerbsminderung und Prävention einer Chronifizierung oder einer drohenden Behinderung.
  • Teilhabe in Arbeit und am gesellschaftlichen Leben (wieder) erlangen, trotz gesundheitlicher Probleme.

Forschungsziele

  • Erkenntnisgewinn, wie die Erwerbsfähigkeit von Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen besser erhalten bzw. wiederhergestellt werden kann.
  • Erprobung innovativer Leistungen und innovativer organisatorischer Maßnahmen (zur Teilhabe am Arbeitsleben) 
  • Erkenntnisse über Ansätze zur Übertragbarkeit und Verstetigung.

Maßnahmen in rehapro Spurwechsel

Gesundheitliche Angebote

  • Beratung zu Gesundheitsthemen (Entspannungsverfahren, sonstige körperliche Betätigung, Psychotherapieverfahren/Hilfestellung zur Kontaktaufnahme)
  • Psychologische/ Psychosoziale Beratung
  • Einleitung fachärztlicher Behandlung
  • Unterstützung bei medizinischen Antragsstellungen

Angebote zur persönlichen Unterstützung

  • Beratung zu Themen der persönlichen Unterstützung
  • Krisenintervention
  • Unterstützung bei Alltagsangelegenheiten (Begleitung zu Behörden, Beratungsstellen)
  • Gruppenangebote (Stressbewältigung, Soziales Kompetenztraining
  • Begleitung zu externen Angeboten (Ernährungskurs, Sportverein)

Angebote zur beruflichen Qualifizierung

  • individuelles Coaching zur beruflichen Qualifizierung
  • Arbeitserprobungen
  • Begleitung zu betrieblichen Wiedereingliederungsmaßnahmen

Fallskizze

Ein typischer rehapro- Teilnehmer …

Herr M., 40 Jahre alt,  der aufgrund einer neurologischen Erkrankung mehrere Ausbildungsabbrüche hatte und sich bislang nicht stabil in den Arbeitsmarkt integrieren konnte. Herr M. leidet bis heute sehr unter seiner jetzigen gesundheitlichen Situation und seiner Arbeitslosigkeit. Zunehmende depressive Zustände, eine soziale Isolation, Antriebsmangel und Interessenverluste sind beispielhafte Folgen. Der Teilnehmer möchte mithilfe von rehapro Spurwechsel eine passgenaue Arbeit finden, bei der seine gesundheitliche Situation kein Hemmnis darstellt. 

Was bisher rehapro in Spurwechsel geschah… (ein beispielhafter Verlauf):

Herr M. nahm die Beratungstermine im Jobcenter nicht mehr war, weil es ihm Schwierigkeiten bereitete das Haus zu verlassen. Die „Aufsuchende Aktivierung“, ein Fachgebiet in der KfB, versucht auch in schwierigen Lagen mit den Kunden Kontakt zu halten. Herr M. wurde von diesem Fachgebiet deshalb zu Hause aufgesucht, um dort gemeinsam die individuelle Situation zu besprechen.
Den Vorschlag einer Teilnahme am Projekt rehapro Spurwechsel griff Herr M. dankbar auf. Der lange Förderzeitraum im Projekt sprach ihn besonders an. So hatte er Zeit, sich gesundheitlich zu stabilisieren, sich sozial wieder zu integrieren und sich auf eine berufliche Qualifizierung vorzubereiten. Für die längerfristige Förderung übernahmen die Coaches aus dem BWHW die Hausbesuche bei Herrn M. Im weiteren Projektverlauf traute sich Herr M. dann auch wieder zu, mit dem Bus zum Projekt ins BWHW zu fahren, so dass die Förderung von da an im BWHW stattfinden konnte. 
Im Rahmen eines Clearingverfahrens wurde gemeinsam mit Herrn M. seine gesundheitliche Situation erhoben und die individuellen Ziele und Maßnahmen zur gesundheitlichen Stabilisierung und beruflichen Wiedergliederung in Form eines „Aktivitätenplans“ festgehalten.
Beispielhafte Maßnahmen waren die Begleitung zu einem ambulanten Psychotherapeuten, ein Gruppentraining zu sozialen Kompetenzen sowie eine Arbeitserprobung im gewerblich- technischen und kaufmännischen Bereich.

Im Sozialen Kompetenztraining lernte Herr M. eigene Grenzen zu kommunizieren und mit kritischem Feedback umzugehen.
Über die betrieblichen Arbeiterprobungen konnte Herr M. seine Arbeitsfähigkeiten verbessern und sich darüber wieder für den Arbeitsmarkt qualifizieren. In Form von regelmäßigen Kooperationsgesprächen mit Betriebsbeteiligten und einer begleitenden Unterstützung im Betrieb wurde Herr M. von einem Coach durchgehend bei den Arbeitserprobungen begleitet. Mit seinem Coach trainierte Herr M. zudem eigene Alltagskompetenzen, wie das Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Einkaufen gehen oder Behördengänge zu erledigen.

Um die berufliche Wiedereingliederung weiter zu konkretisieren, wurde als nächstes ein längerfristiges Praktikum bei einem Arbeitgeber, mit Aussicht auf eine Festanstellung, vereinbart. Im Rahmen einer Fallkonferenz wird die weitere Begleitung (nach Projektausstieg) mit dem Integrationsfachdienst abgestimmt, damit eine „Versorgung aus einer Hand“, auch nach Beendigung des Projekts, sichergestellt ist.