Presse-Archiv 2003

Neue EU-Richtlinie verändert den Entsorgungsmarkt

Wolken am Azur-Himmel

14.03.2003

Darmstadt/Mühltal - Annähernd 33.000 ausrangierte Fernsehapparate, 22.000 Computermonitore, mehr als 19.000 Waschmaschinen, 18.500 Herde und 5.200 Dunstabzugshauben hat der Recyclingbetrieb "Azur" in den sechs Jahren seines Bestehens umweltgerecht entsorgt, teilweise auch repariert und als Secondhand- Ware mit Garantie verkauft. 70 Männer und Frauen erhielten dadurch die Chance, sich beruflich zu qualifizieren und auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Mit einer Sammelquote von 6 Kilogramm Elektroschrott je Einwohner und einer Vermittlungsquote von deutlich über fünfzig Prozent der ausgeschiedenen Mitarbeiter verkörpert die Kreistochter nach Darstellung des Aufsichts ratsvorsitzenden, Landrat Alfred Jakoubek, eine außerordentlich erfolg reiche Symbiose von Ökologie und Beschäftigungsförderung. Doch jetzt verdunkeln Wolken aus Berlin und Brüssel den Azur-Him mel. Zum einen weiß man nicht genau, wie die öffentlich geförderte Beschäftigung in Zukunft - nach Hartz - aussehen wird. Zum anderen wird die neue "WEEE-Richtlinie" der Europäischen Union den Markt grundlegend verändern. Diese Vorgabe aus Brüssel, die im Jahr 2005 in Deutschland in Kraft tritt, verpflichtet künftig die Hersteller, ausgedien te Elektro- und Elektronikgeräte zurück zu nehmen und auf eigene Kosten zu entsorgen. Die Industrie stellt sich darauf ein und wird voraussichtlich Dritte mit der Verwertung großer Stückzahlen beauftragen.

Um dann als Kleinbetrieb überleben zu können und konkurrenzfähig zu bleiben, hat sich Azur jetzt mit anderen regionalen Recyclingbetrieben zu einem Anbieterverbund zusammengeschlossen, berichtet Landrat Jakoubek. Als Gründungsmitglied gehört die Gesellschaft des Kreises neben bisher sieben weiteren Vertretern der Branche dem neu gegründeten Verein "Recycling-Verbund" mit Sitz in Wetzlar an. Als Sammelbecken für Kleine wird sich der Verein einer im Aufbau begriffenen bundesweiten Gesellschaft mit Namen "Anbieterverbund Recycling" (AVR) anschließen. Aufgabe der GmbH ist es, bei Elektro- und Elektronikgeräteherstellen Entsorgungsgroßaufträge zu akquirieren und die Ausführung durch ihre Mitgliedsbetriebe zu koordinieren. "Mit diesen frühen Schritten ist Azur gut aufgestellt", meint Landrat Alfred Jakoubek. Für das laufende Jahr rechnet die "Arbeitsinitiative für Zerlegung und umweltgerechtes Recycling", die in Mühltal/Nieder Ramstadt ihren Hauptsitz und in Alsbach-Hähnlein eine Reparatur werkstatt unterhält, mit Umsatzerlösen von rund 625.000 Euro und da mit einem ähnlich guten Geschäftsverlauf wie 2002. Praktisch "alles, was Stecker hat und niemand mehr braucht", so Jakoubek, wird dort auseinander genommen, aufbereitet und entsorgt. Die Mengenprogno sen für dieses Jahr umfassen, unter anderem, mehr als 6000 Fernseher, 5000 Monitore und Bildröhren, 3700 Waschmaschinen, 3500 Elektroherde, 3000 Boiler, Grills und Mikrowellengeräte, 2000 Trockner, 1700 Geschirrspüler und 440 Tonnen Elektrokleingeräte. An den beiden Standorten arbeiten zurzeit 25 Personen - darunter sieben Frauen und fünf Teilzeitkräfte- in jeweils 18 Monaten dauernden Qualifizierungs programmen. 25 Prozent der Lohnkosten erwirtschaftet Azur, die übrigen Mittel bringen der Landkreis (37,5 Prozent), das Land Hessen und die Europäische Union auf. Als Trainingsfeld für Langzeitarbeitslose erzielt der Recyclingbetrieb überdurchschnittlich gute Erfolge. Von den bisher 45 Männern und Frauen, die dort Erfahrungen und Fähigkeiten erwarben, fanden mehr als die Hälfte unmittelbar im Anschluss an die Beschäftigungsmaßnahme einen festen Arbeitsplatz.

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