Presse-Archiv 2004

Landkreise klagen gegen das Land Hessen

26.11.2004

Darmstadt-Dieburg - Wie Landrat Alfred Jakoubek, Präsident des Hessischen Landkreistags und Vizepräsident des Deutschen Landkreistags, mitteilt, haben die hessischen Landkreise eine Verfassungsklage gegen das Land Hessen initiiert. In einer Pressemeldung des Hessischen Landkreistags in Wiesbaden heißt es, dass die Mitgliederversammlung am 26. November in Bad Nauheim einstimmig  einen entsprechenden Beschluss gefasst hat. Es soll die Frage geklärt werden, ob das Land aus Art. 137, Abs. 5, der Hessischen Verfassung zu einer besonderen Finanzausstattung seiner Kreise verpflichtet werden kann. Gleichzeitig soll auch die Konnexitätskommission angerufen werden.

Im Einzelnen hat die Resolution folgenden Wortlaut:

"Die hessischen Landkreise sind überzeugt, dass das Land diesem Verfassungsauftrag nicht mehr nachkommt, weil es ihnen keine ausreichenden Mittel zur Durchführung ihrer eigenen und der ihnen übertragenen Aufgaben zur Verfügung stellt. Die Landkreise sind im besonderen Maße auf die Mittel des Kommunalen Finanzausgleichs angewiesen, da sie im Gegensatz zu den anderen Gebietskörperschaften über keine nennenswerten originären Einnahmen verfügen. Die den Landkreisen zur Verfügung gestellten Mittel reichen nicht einmal mehr zur Erfüllung der ihnen von Land und Bund übertragenen Aufgaben aus. Die Wahrnehmung eigener, d. h. freiwilliger Selbstverwaltungsangelegenheiten ist damit so gut wie unmöglich. Der verfassungsrechtliche Anspruch auf kommunale Selbstverwaltung ist damit in Frage gestellt.

Die desolate Situation der Kreisfinanzen spiegelt sich auch im Ergebnis der Haushaltsumfrage aus dem Sommer diesen Jahres wider. Während im Vorjahr noch fünf Landkreise ihren Haushalt ausgeglichen verabschieden konnten, ist dazu im Jahr 2004 nur noch ein Landkreis in der Lage. Die bis Ende 2003 aufgelaufenen Rechnungsfehlbeträge in Höhe von ca. 380 Millionen Euro werden sich im Jahr 2004 voraussichtlich verdoppeln und zu einem gesamten Haushaltsdefizit von ca. 790 Millionen Euro führen. Im Jahr 2005 wird sich dieser Betrag voraussichtlich mindestens um weitere 400 Millionen Euro aufbauen. In den Folgejahren steht zu erwarten, dass sich diese Entwicklung wiederholt. In gleicher Höhe müssen die Landkreise zum Ausgleich der dadurch verursachten Überziehung ihrer Bank- und Sparkassenkonten Kassenkredite aufnehmen. Die Verschuldung der hessischen Landkreise ohne Sondervermögen, Mitgliedschaften und Beteiligungen belief sich bis zum Ende 2003 auf ca. 2,5 Milliarden Euro.

Auch im Bundesvergleich schneiden die hessischen Landkreise am schlechtesten ab. Trotz ihrer überdurchschnittlich hohen Kreisumlage-Hebesätze weisen sie die höchsten kumulierten Rechnungsfehlbeträge auf. Auch nach der Höhe der Verschuldung nehmen sie bundesweit einen Spitzenplatz ein. Aus dieser ausweglosen und von ihnen nicht verursachten Situation, deren Ursache ein strukturelles Defizit ist, können sich die Landkreise nicht aus eigener Kraft befreien.

Vor diesem Hintergrund fasst die Mitgliederversammlung des Hessischen Landkreistags folgenden Beschluss: Die hessischen Landkreise fordern vom Land Hessen unter Berufung auf Artikel 137, Abs. 5 der Hessischen Verfassung die Sicherstellung einer ausreichenden Finanzausstattung. Zur Durchsetzung dieser Forderung wird der Hessische Landkreistag eine Musterklage vor dem Staatsgerichtshof gegen das Haushaltsgesetz 2005 initiieren. Gleichzeitig wird die Konnexitätskommission angerufen, die nach § 3 des Gesetzes zur Sicherstellung der Finanzausstattung von Gemeinden und Gemeindeverbänden auch dazu eingerichtet wurde, strittige Fragen zur Finanzverteilung zwischen dem Land und seinen Kommunen zu klären".

Zur Ihrer Information:
Art. 137, Abs. 5 der Hessischen Verfassung lautet: Der Staat hat den Gemeinden und Gemeindeverbänden die zur Durchführung ihrer eigenen und der übertragenen Aufgaben erforderlichen Geldmittel im Wege des Lasten- und Finanzausgleichs zu sichern. Er stellt ihnen für ihre freiwillige öffentliche Tätigkeit in eigener Verantwortung zu verwaltende Einnahmequellen zur Verfügung.

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