Presse-Archiv 2004

Jugendamt: Diskrete Lösungen, die Frau und Kind gerecht werden

Hilfe für Mütter in Not

27.05.2004

Darmstadt-Dieburg - Behörden sind nicht unbedingt die nahe liegendste Adresse für Schwangere in Not. Dabei ist die Angst, gleich einen ganzen Apparat in Gang zu setzen und als Rabenmutter abgestempelt zu werden, völlig unbegründet.

Das Jugendamt des Landkreises versteht sich darauf, mit solchen Fällen diskret und einfühlsam umzugehen. Ein Team von erfahrenen Sozialarbeiterinnen steht Betroffenen in der schwierigen Situation zur Seite und begleitet sie auf dem Weg zu einer Lösung, die den akuten Druck nimmt und zugleich mögliche - und wahrscheinliche - spätere emotionale Nachwehen bei Mutter und Kind berücksichtigt. "Alles ist besser, als ein Neugeborenes auszusetzen", sagen Ruth Bothe und Sigrid Knauber-Fritzsche. Babyklappen oder die anonyme Geburt betrachten sie und ihre Kolleginnen vom Adoptions- und Pflegekinderdienst jedoch mit einer gewissen Besorgnis, vor allem, weil den Kindern dadurch ein Teil ihrer Identität genommen werde.

Wendet sich eine Frau an das Jugendamt, kann sie auf absolute Verschwiegenheit vertrauen. Hier nimmt man sich Zeit, in Ruhe und wertfrei zu besprechen, aus welchen Gründen die werdende Mutter das Kind nicht behalten kann oder will, ob ihr vielleicht unterstützende Dienste eine Hilfe sein könnten oder ob eine Trennung unter den gegebenen Umständen die verantwortungsvollste Entscheidung darstellt. "Der Wille der Frau ist ausschlaggebend", versichern die Sozialarbeiterinnen. "Sie soll über denkbare Alternativen Bescheid wissen und ohne Druck und schlechtes Gewissen entscheiden." Das Kind kann beispielsweise bei einer Familie in Pflege gegeben werden. Dann behält die Mutter die elterliche Sorge und ein Umgangsrecht. Für eine gewisse Zeit besteht dabei auch die Möglichkeit, dass Mutter und Kind wieder zusammengeführt werden, etwa wenn drängende Schwierigkeiten ausgeräumt sind. Bei einer Adoption hingegen erlöschen alle Rechte, Pflichten und verwandtschaftlichen Beziehungen der "Bauchmutter". In der Geburtsurkunde stehen dann die Namen der neuen Eltern, nur die Abstammungsurkunde enthält dann noch einen Hinweis auf die wahre Herkunft. Bis zu acht Wochen nach der Geburt kann die betroffene Frau ihre Zustimmung zur Adoption noch zurückziehen. Hält sie daran fest, sollte sie nach Ansicht des Jugendamts die Adoptiveltern kennen lernen, "denn sonst denkt sie unter Umständen bei jedem vorbei fahrenden Kinderwagen ‚Vielleicht liegt da mein Kind drin", wissen die Sozialarbeiterinnen aus der Praxis. Die Adoptiveltern bittet das Jugendamt, regelmäßig Fotos zu hinterlegen, damit sich die Mutter später, wenn sie es denn wünscht, ein Bild machen kann. Die Akte übrigens wird von der Behörde 60 Jahre aufbewahrt, sicher vor unbefugtem Zugriff in einem Stahlschrank. Nur das betreffende Kind hat - ab dem 16. Lebensjahr - einen Anspruch auf Information.

Alle Adoptivkinder fragen früher oder später nach ihren Wurzeln. Nicht zu wissen, woher man kommt, könne schlimme Phantasien auslösen, heißt es aus dem Landratsamt. Das Beispiel einer Betroffenen, die im Alter von 70 Jahren, nach dem Tod ihrer Adoptiveltern, Nachforschungen anstellte, verdeutliche, dass der Wunsch nach Klarheit offenbar unaufhörlich rumort. In der Beratung versuchen die Mitarbeiterinnen mit den abgebenden Müttern eine möglichst umfangreiche Geschichte zu schreiben, die Beweggründe erklärt und den Sohn oder die Tochter später in die Lage versetzt, sich zu identifizieren. Ein persönlicher Brief der Mutter, vielleicht ein Bild oder ein Spielzeug dazu und ein paar Zeilen über sich selbst, Werdegang, Vorlieben und Interessen, helfen dem Kind, sich mit seinem Schicksal zu versöhnen. In der akuten Ausnahmesituation vor oder kurz nach der Geburt verdrängen die Frauen oft jeden Gedanken an die Zeit danach. Das Kreisjugendamt versucht mit seinem Hilfs- und Beratungsangebot dafür zu sorgen, dass Mutter und Kind auch in der Zukunft mit der Entscheidung gut leben können und gibt ihnen die Sicherheit, dass an dieser Adresse immer jemand erreichbar ist, der ihre Gefühlswelt versteht.

Kontakt: Adoptionsvermittlung/Pflegekinderdienst im Landratsamt Darmstadt-Kranichstein, Jägertorstraße 207, Telefon 06151/881-1453 oder 881-1495.

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