Presse-Archiv 2004

Informationsreihe des Landkreises: Essstörungen verstehen lernen

Von "schön schlank" zum Spiel mit dem Tod

13.09.2004

Darmstadt-Dieburg - Am Anfang geht es vielleicht wirklich darum, "nur ein paar Pfund Babyspeck" loszuwerden. Doch immer mehr Mädchen - und verstärkt auch Jungen - geraten in einen verhängnisvollen Strudel: Oft sind es wenige Schritte von "ein bisschen abnehmen" zu Anorexie (Magersucht) und Bulimie (Ess-Brech-Sucht) - mit hohen gesundheitlichen Risiken und mitunter sogar tödlichem Ausgang. Eine zunehmende Zahl von Anfragen vor allem ratloser Lehrkräfte hat Erste Kreisbeigeordnete Celine Fries veranlasst, mit der Informationsreihe "Esstörungen verstehen lernen" auf das brisante Thema einzugehen. Dafür konnten die Fachstelle Suchtprävention und die Volkshochschule des Landkreises Expertinnen aus Ernährungswissenschaft und Therapie gewinnen, die Ursachen, Zusammenhänge, Alarmzeichen und Wege aus dem Teufelskreis erklären. Das Angebot versteht Fries als Hilfe für gefährdete und unmittelbar betroffene Jugendliche, für Familienangehörige und pädagogische Kräfte zum Beispiel in Schulen und Vereinen.

Oft steckt der Hunger nach Anerkennung und Bewunderung hinter der ersten Hungerkur, man will schön, schlank und erfolgreich sein wie die Supermodels, Superstars und Supersportler mit der Superfigur. Jedes verlorene Gramm macht euphorisch und Lust auf noch weniger, jede Gurke, jede Erdbeere wird kalorienkritisch abgewogen, jeder Bissen gleich wieder abtrainiert. Anfangs erntet man vielleicht noch Beifall und Zuwendung. Die Essstörung verändert das Selbstbild: Man fühlt sich "fett" und ist nur noch Haut und Knochen, der eigene Körper wird zum Hassobjekt. Spätestens dann ist es höchste Zeit für ärztliche und psychotherapeutische Behandlung. Was aber können Eltern tun, damit es so weit nicht kommt, dass ihre Kinder von klein auf Essen als etwas Genussvolles erleben, Selbstwertgefühl entwickeln und keinen trügerischen Idealen nacheifern? Auf diese Frage geht Ernährungswissenschaftlerin Eva Kracke in ihrem Vortrag "Wie beuge ich späteren Essstörungen vor" am Donnerstag, 30. September, im Landratsamt Dieburg, Albinistraße 23, ein (Beginn 19.30 Uhr; VHS-Nr. 1/06/4071). Eine Woche später, am 7. Oktober, ebenfalls im Landratsamt zur gleichen Zeit, spricht Beatrix Seuberling unter dem Titel "Iss doch endlich mal normal" die Erscheinungsformen von Anorexie und Bulimie und die damit verbundenen gesellschaftlichen Gründe sowie familiendynamische Prozesse an (Kursnummer 1/06/4072). Die Diplom-Pädagogin ist erfahren in Gestalt-, Körper- und Traumaarbeit und seit Jahren spezialisiert auf Beratung und Gruppenangebote für essgestörte Jugendliche. Ihre Ausführungen können vor allem Eltern und Lehrkräften wichtige Tipps geben.

Am Donnerstag, 14. Oktober, bietet der Kreis Jugendlichen, die selbst betroffen sind oder sich um Mädchen oder Jungen im Bekanntenkreis sorgen, die Möglichkeit, im diskreten Rahmen offen mit der Therapeutin zu reden. Seuberling informiert unter anderem über Anlaufstellen, Selbsthilfegruppen, medizinische und stationäre Behandlungsansätze sowie empfehlenswerte Fachliteratur. Termin und Treffpunkt: 19.30 Uhr im Landratsamt Dieburg.

Schlankheitswahn und fehlgeleitete Idealbilder sind auch die Themen der Theaterstücke "Durch Dick und Dünn" sowie "Forget Madonna" des Ensembles "Theaterspiel" aus Witten, die am 15. Oktober eigens für Schülerinnen und Schüler der siebten und achten Klassen an der Gerhart-Hauptmann-Schule in Griesheim aufgeführt werden. Die Schule wurde für das Modellprojekt ausgewählt, weil dort eine besonders aktive "AG Gesundheit" besteht, die Essstörungen als gefährliche Sucht thematisiert.

Noch für dieses Jahr bereitet Angela Lüken von der Fachstelle Suchtprävention eine entsprechende Fortbildung für Lehrkräfte vor. Am 19. und 20. November ist ein "Mädchenwochenende" für Zwölf- bis Fünfzehnjährige geplant. Von 26. November an soll es jeweils einmal in der Woche einen offenen Gesprächskreis für Mädchen im Alter von 12 bis 18 geben.

Info: Zu den Vorträgen am 30. 9. und 7. 10., die sich hauptsächlich an Erwachsene richten, bittet die Kreisvolkshochschule die Teilnahme schriftlich anzumelden unter Angabe der genannten Kursnummer (VHS Darmstadt-Dieburg, Tel. 06071/881-2301, Fax 881-2319). Für den - kostenfreien - Vortrag am 14. Oktober ist eine Anmeldung aus organisatorischen Gründen erwünscht, aber nicht unbedingt erforderlich.

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