Presse-Archiv 2004

Landrat fordert Kraft zur Gemeinsamkeit

Finanzen aus dem Gleichgewicht

12.11.2004

Darmstadt-Dieburg - Der Landkreis rechnet im kommenden Jahr mit einem Defizit von rund 38 Millionen Euro im Ergebnishaushalt - trotz einschneidender Sparmaßnahmen und obwohl die 23 kreisangehörigen Städte und Gemeinden zu deutlich höheren Zahlungen herangezogen werden. "Die rasante Talfahrt, auf der sich alle hessischen Landkreise befinden, ist fremdgesteuert", so Landrat Alfred Jakoubek. "Wesentliche Ausgabenposten wie Sozialhilfe, Flüchtlingswesen sowie Kinder- und Jugendhilfe können wir kaum beeinflussen. Bund und Land übertragen zwar Aufgaben, bleiben aber den kostendeckenden Ausgleich schuldig."

Das krasse Missverhältnis lässt sich beispielsweise daran ablesen, dass die Zuweisungen aus dem so genannten Kommunalen Finanzausgleich in Hessen ungeachtet erheblich gestiegener Belastungen in 2005 auf dem Niveau von 1993 liegen. Jakoubek wird nicht müde, eine "längst überfällige" Gemeindefinanzreform einzufordern, die die unteren Verwaltungsebenen grundlegend und dauerhaft absichert. Dafür kämpft er auch in seiner Position als Präsident des Hessischen und Vizepräsident des Deutschen Landkreistags. Gemeinden und Kreise müssten ihre Kräfte bündeln, dürften keinen Keil zwischen sich treiben lassen. In der aktuellen Situation seien kleinkarierte Zänkerei, Krümelpolitik und parteitaktische Winkelzüge fehl am Platz. Vielmehr, so des Landrats Appell, sollten auch die Fraktionen im Kreistag die Kraft zur Gemeinsamkeit aufbringen.

Die ohnehin seit Jahren angespannte Lage auf Problemfeldern wie Jugendhilfe (Aufwand 32 Mio., Zuschussbedarf 29 Mio. Euro) und Flüchtlingswesen (10 Mio. Ausgaben, fast die Hälfte ungedeckt) verschärft sich im Landkreis Darmstadt-Dieburg nächstes Jahr noch durch neue Belastungen: Der Zahlungen an den Landeswohlfahrtsverband (LWV) steigen um 6,7 Mio. Euro auf insgesamt rund 43 Mio., die Krankenhausumlage um eine halbe Million auf 4,7 Mio. Euro, die Unterkunftskosten für Bedürftige reißen ein Loch von mindestens drei Mio. Euro auf - also rund zehn Millionen Euro Zusatzbelastung, die der Landkreis nicht beeinflussen kann. Angesichts solcher Summen lässt sich laut Jakoubek mit Konsolidierungsmaßnahmen, wie sie beispielsweise den Kreisbediensteten zugemutet werden (freie Tage und Essenszuschuss, teilweise Urlaubs- und Weihnachtsgeld gestrichen, Parkgebühren eingeführt, Stellenbesetzungssperre, Mehrarbeit für Beamte, Personalausgaben seit zwei Jahren eingefroren) wenig ausrichten. Begrenzt, weil durch gesetzliche Vorgaben konterkariert, sind auch die Möglichkeiten, etwa das Defizit der Kreiskrankenhäuser in Höhe von aktuell zwei Millionen zu reduzieren. Jakoubek sieht sich gezwungen, das 50 Mio. Sonderprogramm Schulmodernisierung, das zu 60 Prozent umgesetzt ist und in zwei Jahren abgeschlossen sein sollte, bis 2010 zu strecken. Dennoch genießen die Felder Schule und Familie, Ehrenamt und präventive Sozialpolitik weiterhin Priorität, versichert der Landrat. Für den Schulbau sind im kommenden Jahr 5,5 Millionen Euro vorgesehen, außerdem werde der Kreis seinen zehnprozentigen Anteil zu den beantragten Bundesmitteln für Ganztagsschulen bereit stellen.

Vor dem Hintergrund der landesweiten Entwicklung verlang der Regierungspräsident in Darmstadt, dass der Landkreis zumindest den Mehraufwand für den LWV an die Städte und Gemeinden weitergibt. "Dies ist für mich keine angenehme Veranstaltung", gestand der Landrat, als er den Bürgermeistern jetzt die eine Erhöhung der Kreisumlage um drei Prozentpunkte auf 46,5 Prozent (inklusive 2,13 Prozent ÖPNV-Umlage) angekündigte. Ein Prozentpunkt entspricht 2,2 Millionen Euro. Nach den vorläufigen Zahlen müssen die 23 Gemeinden nächstes Jahr 105 Millionen Euro Kreisumlage abführen. Abhängig von der jeweiligen Steuerkraft gehen die Einzelbeträge weit auseinander. Fischbachtal zahlt rund 730.000 Euro, das verhältnismäßig "reiche" Weiterstadt 20,4 Millionen. Als Weiterstadts Bürgermeister Peter Rohrbach dann auch noch während der Sitzung äußerte, ihm seien gerade zusätzliche Gewerbesteuereinnahmen in Millionenhöhe avisiert worden, hatte er die Sympathien auf seiner Seite. Ein Amtskollege spontan: "Peter, wir lieben dich".

zurück...