Presse-Archiv 2005

"Wühlmäuse" und passionierter Artenschützer erhalten Umweltpreis

Heilpraktiker für Patient Natur

19.08.2005

Darmstadt-Dieburg - Vor Begeisterung hat der Landkreis seinen Umweltpreis in diesem Jahr gesplittet. Die Auszeichnung geht an die "Wühlmäuse", eine umtriebige Jugendgruppe aus Seeheim-Jugenheim, und den unkonventionellen Naturschützer Reiner Stürz aus Ober-Ramstadt/Wembach-Hahn. Das Preisgeld in Höhe von 3.000 Euro wird geteilt. "Beide leisten auf unterschiedliche Weise höchst Beachtliches", betont Erste Kreisbeigeordnete Celine Fries und räumt ein, dass die Jury bei zwanzig, allesamt bemerkenswerten Vorschlägen eine ausgesprochen schwierige Aufgabe hatte. Die Sieger werden im Oktober bei einer Feier gekürt.

Die Geschichte der "Wühlmäuse" begann mit einer Blindschleiche. Ein paar Kinder brachten das Reptil zu Eckhard Woite in Malchen, der sich damit auskannte und ihnen gleich seinen Garten, den Teich und die Tiere und Pflanzen darin zeigte. In der Folgezeit kamen die Kinder immer wieder mit immer mehr wissbegierigen Dreikäsehochs im Schlepptau. Die neugierigen Fragen und das eigene Anliegen, junge Menschen für Umwelt- und Naturschutz zu sensibilisieren, brachten dem Lehrer auf die Idee, dem ganzen eine Form zu geben: Die "Wühlmäuse" waren geboren. Unter Woites Fittichen - und mit Hilfe gleichgesinnter Erwachsener - sind sie in den zurückliegenden elf Jahren prächtig gediehen. Regelmäßig treffen sich sechs bis 19 Jahre alte Mädchen und Jungen in zwei Gruppen - die Kleinen nennen sich "Maulwürfe", die Größeren "Mauswiesel". Begeistert verbringen sie ihre Zeit mit freiwilligem Anschauungsunterricht, bei dem sie ständig dazu lernen und selbst Hand anlegen. Fünf Teiche sind so zur Freude von Fröschen, Kröten und Molchen entstanden, Lesestein- und Hirschkäferhaufen, Maulwurfwald und Grottenbank, Wühlmauswand und Holzwerkstatt. Die Jugendlichen bauten Nistkästen und konnten dadurch den Raufußkauz zurücklocken. Sie zogen mit Eseln, Hunden und der Ziege Johanna durch den Odenwald, erlebten aufregende Paddeltouren mit der zahmen Dohle Dolli als schwirrende Begleiterin. Wochenendpirschgänge, Abendwanderungen, Heilkräuterexkursionen, Beobachtungen am Bienenstock - unzählige Aktivitäten halten die Sache spannend. Den kleinen und großen Wühlmäusen um den 64-jährigen Eckhard Woite herum hat schließlich auch noch der Ortsteil Malchen zu verdanken, dass das "Oberdorffest" nicht ausgestorben ist. So viel Engagement gehört nach Ansicht der Umweltschutzpreis-Jury honoriert.

Nicht minder wertvoll wurde der Einsatz des zweiten Preisträgers eingestuft. Reiner Stürz liebt die Natur und lebt seine Überzeugung mit Leidenschaft. Schon als Knirps von sieben Jahren fand der heute 47-Jährige zum Naturschutzbund, wurde später Jugendleiter, Vorsitzender und Geschäftsführer des Kreisverbands. Seine Arbeit hat an allen Ecken Spuren hinterlassen. Mit einem feinen Gespür für motivierende Aktionen vermag er vor allem junge Menschen für ihre Umwelt zu faszinieren. Er setzte Heckenpflanzungen in Gang, die Renaturierung von Bächen, Schutzmaßnahmen für Amphibien, trug mit seiner Beharrlichkeit dazu bei, dass der Tongrube Mölter der besondere Schutzstatus Flora-Fauna-Habitat (FFH-Gebiet) zuerkannt wurde. In der Erkenntnis, dass mitunter selbst viele Hände nicht ausreichen, setzt Rainer Stürz seit einiger Zeit zunehmend auf Helfer mit vier Beinen. Inzwischen hat er seinen gut dotierten Job aufgegeben und betreibt mit rund 700 Schafen, Ziegen, Eseln, Hängebauchschweinen sowie einer Herde Galloway- und Rote Rhönrinder effektiven Landschaftsschutz. Der Einsatz der Tiere wird genau geplant und abgestimmt unter anderem auf Jahreszeiten, örtliche Verhältnisse und Fressgewohnheiten. Damit hat der "Naturheilkundige" ein wirksames Rezept entwickelt zur Wiederbelebung existenzbedrohter Flora und Fauna. Aktuell leisten Stürz und seine Weidetiere beispielsweise auf Sandmagergebieten und Kalksandkiefernwäldern in den Altneckarlachen im Ried entsprechenden "Notdienst" im Rahmen eines bundesweit beachteten Erforschungs- und Entwicklungsprojekts.

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