Presse-Archiv 2004

Bei Konflikten hilft neutrale Fachstelle Ausbildungsbegleitung

Chef und Azubi: Reden ist Gold

14.09.2004

Darmstadt-Dieburg - Etliche Ausbildungen scheitern, weil zwischen Chef und Azubi Funkstille herrscht. Mehr Kommunikation könnte in vielen Fällen Ärger, Missverständnisse und Spannungen ausräumen und dazu beitragen, dass beide Seiten besser miteinander auskommen oder - wenn eine Trennung unvermeidbar erscheint - wenigstens im Frieden auseinander gehen. Diese Erkenntnis hat Jennifer Göttmann von der "Fachstelle Ausbildungsbegleitung" durch eine Umfrage bei Betrieben, Lehrlingen und Berufsschullehrern zu den Ursachen vorzeitiger Kündigungen gewonnen. Der Landkreis hatte die Fachstelle im Oktober 2002 als neutralen Anlaufpunkt für die Konfliktparteien eingerichtet. Anlass dazu gab eine alarmierende hohe Abbruchquote von mehr als vierzig Prozent in fünfzehn gängigen Handwerksberufen (wie Bäcker, Friseur, Maler und Lackierer, Glaser oder Maurer) im Einzugsgebiet der Kreishandwerkerschaft Dieburg. Das zunächst als Modellversuch auf zwei Jahre befristete Projekt der Beschäftigungsförderung des Kreises wird nun verlängert. Wie Landrat Alfred Jakoubek mittelt, sichern der Landkreis und die Kreishandwerkerschaft - sowie voraussichtlich das Hessische Wirtschaftsministerium mit Geldern der Europäischen Union - mit einem Gesamtbetrag von 120.000 Euro den Fortbestand des Beratungsangebots mindestens bis Ende 2006. Damit steht Sozialpädagogin Göttmann, die regelmäßig Sprechstunden in den beiden Berufsschulen (Peter-Behrens-Schule in Darmstadt und Landrat-Gruber-Schule in Dieburg) abhält, weiterhin Lehrlingen, Eltern und Ausbildern bei Schwierigkeiten zur Verfügung. Als Hilfe für einen möglichst reibungslosen Einstieg in die berufliche Laufbahn wird die Fachstelle zudem Leitlinien für Betriebspraktika und für Ausbildungsgespräche entwickeln, in die Erfahrungen aus der Praxis einfließen.

Entsprechende Eindrücke hat "Ausbildungscoach" Göttmann bereits reichlich gesammelt. Die Fachstelle erreichten bisher rund 200 Anfragen, die in mehr als 600 Gesprächen mit Betroffenen mündeten. "Es kommt sehr gut an, dass hier eine unparteiische, unvoreingenommene Person sitzt, bei der man erstmal allen Frust abladen kann", sagt die Beraterin. Meist kenne jede Seite nur ihre "Wahrheit". Jugendliche sehen sich oft als Opfer, wünschen sich mehr Beachtung, Lob und Anerkennung. Betriebe hingegen klagen vor allem über mangelnde Arbeitsmoral, schwache Vorkenntnisse, schlechte Leistungen und häufiges unentschuldigtes Fehlen. "Schweigen oder Schreien nützt keinem", meint Göttmann. "Reden ist Gold". Sie bemüht sich darum, alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen, um gemeinsam eine Lösung zu finden. Wie die Umfrage zeigte, an der sich 52 Firmen und 47 Azubis mit "Abbrucherfahrung" sowie 14 Lehrkräfte beteiligten, glauben 90 Prozent der Lehrlinge und 85 Prozent der Betriebe, dass der Bruch mit Hilfe der Fachstelle wahrscheinlich hätte verhindert werden können. Allerdings gaben auch zehn Unternehmer an, ihnen sei auf Grund der schlechten Erfahrungen vorläufig die Lust zum Ausbilden vergangen. Der Landrat hört es mit Sorge.

Betriebspraktika garantieren noch lang keine erfolgreiche Berufsausbildung, auch das erwies die Studie. Obwohl rund zwei Drittel der befragten Jugendlichen als Schüler einige Schnuppertage im Betrieb verbracht hatten, ging später die Ausbildung schief. Ein Einblick in den wirklichen Arbeitsalltag hätten sie dabei kaum bekommen, andererseits wohl auch zu wenig gefragt und Informationen eingeholt. Um sich gegenseitig besser kennen lernen zu können, wünschen sich Betriebe und Jugendliche übereinstimmend längere Praktikumsphasen. Auch der Bewerberauswahl wäre dies wahrscheinlich dienlich, denn viele Betriebe vertrauen auf das Auftreten der Kandidaten und die Aussagekraft der Schulnoten. Doch dieses oberflächliche Bild ist mitunter trügerisch.

Die Fachstelle Ausbildungsbegleitung soll dabei mitwirken, die erkannten Schwachstellen und potenzielle Reibungspunkte zu beseitigen. Jürgen Dörsam, Leiter der "Stabsstelle Beschäftigungsförderung" im Landratsamt Darmstadt bezeichnet das Beratungsangebot als "einen Mosaikstein in unserem Bemühen um qualifizierten Fachkräftenachwuchs für die Wirtschaft und Zukunftsperspektiven für junge Menschen."

Info: Beraterin Jennifer Göttmann ist unter der Telefonnummer 06071/964831 erreichbar (bei Abwesenheit Anrufbeantworter). Nähere Informationen stehen im Internet: (Arbeit und Wirtschaft - Beschäftigungsförderung - Fachstelle Ausbildungsbegleitung).

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