Presse-Archiv 2005

Sieben Postagenturen vor der Schließung, weitere bedroht

Serviceabbau: Peanuts für den Global Player

02.02.2005

Darmstadt-Dieburg - "Die Auflösung von sieben Postagenturen bis zur Jahresmitte ist beschlossene Sache. Im nächsten Halbjahr werden möglicherweise noch weitere Verträge im Landkreis gekündigt." Knallhart ist die Botschaft, mit der Bernd Dietrich, der für Hessen zuständige "Regionale Politikbeauftragte" der Deutschen Post AG, am Mittwoch im Landratsamt jeglichen Rettungsversuchen eine klare Absage erteilte. Mit einer Null-Lösung jedoch wollen sich Landrat Alfred Jakoubek und die Bürgermeister der - vorerst - betroffenen Kommunen - Peter Schellhaas aus Modautal, Reinhard Rupprecht aus Babenhausen und Werner Schuchmann aus Ober-Ramstadt sowie aus Seeheim-Jugenheim der Beigeordnete Klaus Bischoff - nicht abspeisen lassen. Sie verlangen ein Gespräch mit einem Entscheider. Ende der Woche werden sie erfahren, ob der Konzern sich darauf einlässt.

Aus aktuellem Anlass hatte Jakoubek das Treffen im Landratsamt kurzfristig arrangiert, um den geplanten Serviceabbau der Post zumindest teilweise zu verhindern. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel waren vor kurzem die Verträge für die Postagenturen in Sickenhofen, Hergershausen, Rohrbach, Ernsthofen und Ober-Beerbach zum 30. Juni aufgelöst worden. Bereits zum 28. Februar schließt die Agentur in Modautal-Asbach, am 31. Mai muss die Niederlassung in Babenhausen-Langstadt dicht machen."Alles juristisch korrekt und den Regularien entsprechend", konterte Dietrich den Vorwurf, sein Unternehmen verliere seine Kunden aus dem Blick, ignoriere örtliche Gegebenheiten und Entwicklungen, handle verantwortungslos ohne Rücksicht auf Verluste stur nach Schablone. "Sie machen den ländlichen Raum platt. Die Leute sind stinksauer", empören sich Bürgermeister und Landrat. "Da zählen offenbar Bilanzen mehr als Menschen, die Agenturen sind wohl nur Peanuts für den Global Player". Der Postabgesandte hingegen pocht auf Formalien wie die "Universaldienstleistungsverordnung", die man schließlich einhalte. Zielvorgabe sei der Abbau von bundesweit tausend Filialen bis zum Jahresende. Das derzeitige Netz von 13.000 Niederlassungen rechne sich nicht. Für den verbleibenden Rest gelte bis 2007 Bestandsschutz. Was danach kommt, blieb offen. Als alleiniger Maßstab bei ihren Schließungsentscheidungen gilt der Post offenbar eine Mindesteinwohnerzahl von 2.000 Personen. Wie starr und unflexibel die Aktiengesellschaft an diesem Kriterium festhält, macht das Beispiel Hergershausen deutlich. Der Babenhäuser Stadtteil ist aktuell gerade einmal 20 Einwohner von der magischen Marge entfernt. Dass ein neues Baugebiet für 400 Einwohner abzusehen ist, alle Prognosen dem Landkreis Darmstadt-Dieburg in den nächsten Jahren weiterhin ein starkes Bevölkerungswachstum vorhersagen, wird völlig außer Acht gelassen. Wenn Leute zuzögen, demnächst ein paar Kinder auf die Welt kämen und Hergershausen 2001 Einwohner hätte, könne der Bürgermeister ja entsprechende Unterlagen einreichen. Dann würde neu geprüft, hieß es lapidar. Bürgermeister und Landrat verloren fast die Fassung angesichts solcher Aussagen. Auch der Fortbestand der Läden, die die Postagenturen zurzeit betreiben und nun einen wichtigen Frequenzbringer verlieren werden, juckt die Verantwortlichen offenbar wenig. Die Agentur sei ja schließlich nur ein zweites Standbein, die Betroffenen sollten "ihr Kerngeschäft prüfen und sich neue Partner suchen". Zweifel hegen die Kommunalpolitiker auch daran, dass den Entscheidungen eine betriebswirtschaftliche Prüfung vorausgegangen ist. Die Agentur in Ober-Beerbach beispielsweise steuern auch etliche Kunden aus Nieder- und Schmal-Beerbach, aus Lautertal und Seeheim an, sie ist also nicht nur für die rund 1.300 Ortsbewohner relevant, die nach Postmaßstab zählen.

Jakoubek und Kollegen glauben zwar nicht, alle Filialen retten zu können. Aber noch besteht die Hoffnung, dass eine Vernunftslösung gefunden werden kann.

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