Presse-Archiv 2005

Der gelbe Riese stellt sich taub - "Keine Härtefälle"

Postagenturen: Es bleibt bei Kündigungen

29.04.2005

Darmstadt-Dieburg - Allen Widerständen zum Trotz schließt die Deutsche Post AG sieben Filialen im Landkreis. Eine Überprüfung habe keine Härtefälle belegt, die eine Korrektur der Entscheidung rechtfertigten, teilte die Bonner Konzernzentrale jetzt Landrat Alfred Jakoubek mit. Das bedeutet Schluss mit Service spätestens am 30. Juni in Sickenhofen, Hergershausen, Langstadt, Rohrbach, Ernsthofen, Asbach und Ober-Beerbach.

Landrat und Bürgermeister sind darüber sehr verstimmt und kritisieren vor allem Stil und Starrheit des nach eigenen Worten auf "Produktivitätsfortschritt und Effizienzsteigerung" fixierten Global Players. Ungeachtet deutlicher Argumente, Unterschriftenlisten und Protestnoten habe der Gelbe Riese selbstherrlich sein Ding durchgezogen und Fakten nach eigenem Schlechtdünken "interpretiert" und ignoriert, klagt Jakoubek. Besonders krass zeige sich dies am Beispiel Hergershausen. Noch im Februar hatte ein Beauftragter der Post eingeräumt, dass das Schicksal der dortigen Agentur von gerade einmal zwanzig Einwohnern abhänge, die zur Richtgröße von 2000 Einwohnern fehlten. Ohne Angabe von Quellen kommt man in Bonn nun plötzlich nur noch auf 1700 Einwohner - eine Zahl, die mit dem Melderegister in keiner Weise übereinstimmt. Dass ein neues Baugebiet Hergershausen in den nächsten Jahren vier- bis fünfhundert Neubürger bescheren dürfte, wird überhaupt nicht berücksichtigt. Nach dem Verlust von drei Agenturen in diesem Jahr existiert in Babenhausen dann nur noch ein Postamt in der Kernstadt. "Für eine Stadt mit rund 17.500 Einwohnern und sechs Stadtteilen ist das zu wenig", findet Bürgermeister Reinhard Rupprecht, der für das Verhalten der Verantwortlichen klare Worte findet: "Unverschämt, unverständlich, völlig daneben". Auch Bürgermeister Peter Schellhaas aus Modautal bringt das Gebaren auf die Palme: "Was die sich leisten, ist zynisch und an Dreistigkeit kaum zu überbieten". In seiner Gemeinde erhielten die Agenturen in Asbach und Ernsthofen eine Kündigung. Übrig bleibt das Postamt in Brandau, künftig zuständig für elf Ortsteile mit 5.500 Einwohnern in einem Gebiet von 32 Quadratkilometern.

Abgesehen von Bevölkerungsrichtgrößen, die man in der Region schon recht fragwürdig findet, nennt die Post als weitere Gründe für den Serviceabbau "Bedienzeiten von weniger als sechs Stunden" und "keine wirtschaftlich tragfähige Kundennachfrage". Dem widersprechen die tatsächlichen Verhältnisse: Für die meisten der betroffenen Agenturen im Kreis gelten die üblichen Ladenöffnungszeiten - also deutlich mehr als sechs Stunden -, und sie arbeiten nach Auskunft der Betreiber trotz in den letzten Jahren auf Druck des großen Partners verschlechterter Konditionen durchaus rentabel.

Viele Ungereimtheiten also in der Rechtfertigung der Deutschen Post AG. Die Politiker im Kreis jedenfalls können nicht nachvollziehen, warum sich das Unternehmen selbst in Grenzfällen zu keinerlei Entgegenkommen bereit erklärt, wo es sich doch nach eigenem Bekunden "der flächendeckenden Versorgung der Bürgerinnen und Bürger mit Postdienstleistungen in besonderer Weise verpflichtet" fühlt und andernorts in Deutschland Fehleinschätzungen eingeräumt und Kündigungen zurückgenommen hat.

Trost spendet derweil ein privater Dienstleister mit Sitz in Darmstadt, die orangefarbene regionale Konkurrenz des gelben Riesen. "Schließungen der Post-Agenturen sollten den Verantwortlichen keine Sorgen bereiten", heißt es in einem Brief an den Landrat. Das Unternehmen will mit seinem Paket- und Briefservice in die Lücken springen. Zu den betroffenen Stellen habe man bereits Kontakt aufgenommen. Nachdem dort jetzt mit der Absage der Post das letzte Fünkchen Hoffnung erloschen ist, soll über eine mögliche Zusammenarbeit konkret verhandelt werden.

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