Presse-Archiv 2009

Immer mehr Schutzmaßnahmen für Kinder

23.10.2009

Darmstadt-Dieburg - Überforderte Eltern, Vernachlässigung, Misshandlung und sexuelle Gewalt sind die häufigsten Gründe dafür, dass das Jugendamt des Landkreises Kinder und Jugendliche in Obhut nehmen muss. "Dabei geht der Trend eindeutig steil nach oben", beurteilt Landrat Klaus Peter Schellhaas die oft bedrückende Situation. Allein in der Zeit vom 1. Januar bis 24. August 2009 hat das Jugendamt des Landkreises 64 junge Menschen in Obhut genommen. Das sind zehn mehr als im gleichen Vorjahreszeitraum. Die finanziellen Aufwendungen für Schutzmaßnahmen klettern in diesem Jahr voraussichtlich um rund 600 000 Euro auf mehr als eine Million Euro. Denn an Schutzmaßnahmen schließen sich meistens ambulante oder stationäre Jugendhilfen an.

Mit diesen Zahlen liegt Darmstadt-Dieburg im Landes- beziehungsweise Bundestrend. Zwischen 2000 und 2007 ist in Hessen die Zahl der gerichtlichen Maßnahmen zum teilweisen oder vollständigen Entzug der elterlichen Sorge um 43 Prozent gestiegen. Im Jahr 2008 gab es dann gegenüber 2007 nochmals eine kräftige Steigerung um 31 Prozent. "Dies belegt, dass Jugendämter nicht übervorsichtig agieren, sondern dass hinter den Schutzmaßnahmen auch gerichtlich bestätigte, gravierende Notlagen stehen", sagt Landrat Klaus Peter Schellhaas. Schutzmaßnahmen haben zur Folge, dass betroffenen Kinder und Jugendliche in akuten Gefahrensituationen in Einrichtungen oder bei vertrauenswürdigen Personen wie z.B. Oma oder Onkel untergebracht werden. Beim Kreisjugendamt sind 34 Personen in 5 Teams mit der sensiblen Aufgabe der Inobhutnahme betraut.

Wie gravierend die Fälle sein können, zeigen ein paar Beispiele aus dem Landkreis. So mussten drei Mädchen im Alter von zwei, fünf und acht Jahren in Obhut genommen werden, weil auf einem Handy Fotos von sexueller Gewalt des Stiefvaters an einem der Mädchen sichergestellt wurden. Das Kind wurde mit einem schweren Trauma in einer Kinderklinik behandelt, alle 3 Schwestern sind in einer Bereitschaftspflegestelle untergebracht. Beide Eltern befinden sich in Untersuchungshaft.

Grund für Schutzmaßnahmen sind auch oft psychisch kranke Mütter. So trennte die Erziehungshilfe von Mai bis Juni in insgesamt vier Fällen vier Babys und ein Kleinkind von ihren Müttern, weil diese entweder unter dem Borderline-Syndrom oder anderen gravierenden psychischen Erkrankungen leiden.

Trennungsanlass kann auch eine total verwahrloste Wohnung sein, in der völlig überforderte Eltern ihre Kinder nur mangelhaft ernähren und versorgen. In diesem Fall wurde die Erziehungshilfe des Kreises übrigens durch Mitarbeiterinnen einer Kindertagesstätte im Rahmen der so genannten Paragraf-8-A-Regelung informiert. Dieser Paragraf verpflichtet u.a. auch die Kindertagesstätten, den Schutzauftrag in gleicher Weise wahrzunehmen wie das Jugendamt. Dies bedeutet, dass die Mitarbeiterinnen bei Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung, unterstützt durch vom Kreis finanzierte erfahrene Fachkräfte des Kinderschutzbundes, eine Risikoeinschätzung vornehmen und wenn Hilfsangebote an die Eltern nicht zum Erfolg führen, eine Meldung an das Jugendamt machen.

"Die Steigerung der Fallzahlen ist zwar bedrückend, doch sie zeigt auch, dass die Maßnahmen zur Aufdeckung von Vernachlässigungen und Misshandlungen greifen", sagt Landrat Klaus Peter Schellhaas. Dabei sei auch festzustellen, dass immer mehr Bürgerinnen und Bürger durch die öffentliche Beachtung, die dieser Bereich erfährt, in ihrem Meldeverhalten sensibler geworden seien.

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