Aktuelle Nachrichten aus Darmstadt-Dieburg
Reaktion auf Greenpeace-Studie zum Nahverkehr
Lutz Köhler: "Kaum aussagekräftig"
22.05.2025
Darmstadt-Dieburg. Ist der Öffentlichen Personennahverkehr im Landkreis Darmstadt-Dieburg lückenhaft? Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie von Greenpeace. Während die Stadt Darmstadt darin auf einer Skala von A bis F die Bestnote A erhält, wird der Landkreis Darmstadt-Dieburg mit einem C bewertet. In der Studie werden eine hohe Taktdichte sowie die Straßenbahn als Verkehrsmittel besonders hoch gewichtet. Entsprechend erhalten im Landkreis die an die Straßenbahn angebundenen Städte Griesheim und Seeheim-Jugenheim die gute Note B, während besonders im Osten des Kreises oft die Note D vergeben wurde.
Auffällig ist, dass die Anbindung einer Kommune an die Regional- oder S-Bahn in der Wertung schlechter abschneidet als die Anbindung an eine Straßenbahn. Gerade die steigende Nachfrage durch den Ausbau der Odenwaldbahn hat gezeigt, dass auch ein Halbstundentakt oder ein Stundentakt auf Regionalbahnen vor Ort gut angenommen werden. Nach einer Erhebung der DB Regio hat mit dem Deutschlandticket die Nachfrage auf den Regionalbahnen um 30 Prozent zugenommen. Das ist in den Städten mit dichten Straßenbahn- und Busangeboten so nicht zu beobachten.
Auch Vernetzungseffekte wurden in der Studie kaum berücksichtigt. So sind alle Buslinien im Osten von Darmstadt-Dieburg auf die Bahnlinien abgestimmt – beispielsweise am Bahnhof Otzberg-Lengfeld. In Darmstadt-Dieburg verlaufen vor allem Hauptbahnen, welche nicht zur Erschließung der Orte gebaut wurden. Da dadurch auch der Bahnhof Otzberg-Lengfeld etwas abseits der Bebauung liegt, gibt es die Buslinien GU1 und GU4, welche die Fahrgäste aus den Ortsteilen im Stundentakt zum Bahnhof bringen, entweder im Linienverkehr oder am Wochenende als Rufbus mit dem DadiLiner.
Dieser fährt in einem hybriden System teils nach Fahrplan und teils im On-Demand-Verkehr. Dieses flexible Element hat Greenpeace nach eigenen Angaben in der Studie nicht berücksichtigt, räumt aber selbst ein, dass dadurch vor Ort eine gute Mobilität geboten werden kann, die eine schlechte Güteklasse beim Linienverkehr potenziell ausgleicht.
„Genau mit diesem Ziel haben wir den DadiLiner im Dezember 2024 im Osten des Kreises eingeführt“, erklärt der Erste Kreisbeigeordnete und Verkehrsdezernent Lutz Köhler. „Es ist weder wirtschaftlich sinnvoll noch im Sinn der Fahrgäste und Anwohner, in den Ortsteilen von Modautal oder den Stadtteilen von Groß-Umstadt an sieben Tagen in der Woche im engen Takt Busse fahren zu lassen. Nach der Methodik der Studie würde das zu einer besseren Note führen. Unser Ansatz ist aber, genau dann ein emissionsarmes und leises Fahrzeug zu schicken, wenn es auch wirklich gebraucht wird. Dass dieser Verkehr nicht berücksichtigt wird, ist keine nachvollziehbare Entscheidung. Auch die geringe Gewichtung der Anbindung an die Bahn erschließt sich mir nicht. Verbesserungspotenzial gibt es immer. Der ÖPNV einer Großstadt taugt aber schlicht nicht als Maßstab für den ländlichen Raum.“
Vergleicht man stattdessen Flächenkreise, dann ist Darmstadt-Dieburg in der Studie solide aufgestellt: In Hessen, das auf Platz fünf der Bundesländer liegt, gibt es 20 Landkreise, von denen acht die Kategorie C erreichen – darunter Darmstadt-Dieburg –, elf die Kategorie D und einer die Kategorie E. In Darmstadt-Dieburg sind laut Berechnung 19 Prozent der Bevölkerung „abgehängt“. Besser schneiden ab: der Main-Taunus-Kreis (6,2 Prozent), Kreis Offenbach und Kreis Groß-Gerau (je 7,8 Prozent), Hochtaunuskreis (9,3 Prozent) und Kreis Bergstraße (14,8 Prozent). Dabei ist zu beachten, dass die Kreise Groß-Gerau und Offenbach deutlich kompakter bebaut sind.
Weiterhin wird in Darmstadt-Dieburg fortlaufend am Ausbau des ÖPNV gearbeitet: Beim letzten Fahrplanwechsel im Dezember 2024 wurde beispielsweise in Kooperation mit der KVG Offenbach die neue Linie V86 in Betrieb genommen, die zwischen Babenhausen und Klein-Welzheim fährt. Die Schnellbuslinie MX verbindet seither Darmstadt und Brandau. Im Dezember 2025 soll die neue Linie DG den Betrieb aufnehmen, deren Weg von Gernsheim über die Pfungstädter Stadtteile Hahn und Eschollbrücken nach Darmstadt führt.
Sollte die Straßenbahnverbindung von Weiterstadt über Darmstadt und Roßdorf nach Groß-Zimmern realisiert werden, würden die genannten Kommunen in die Kategorie B aufrücken. Der Ausbau des Kreuzungsbahnhofs Eppertshausen würde die Anbindung von Eppertshausen und Münster verbessern, weil dort ein Halbstundentakt entstünde. Gleiches gilt für den Ausbau des Kreuzungsbahnhofs Mühltal und damit für die Orte entlang der Odenwaldbahn. Auch neue Schnellbuslinien sind denkbar, erfordern aber bessere finanzielle Unterstützung seitens des Landes oder des Bundes.
„Die Studie von Greenpeace macht es sich sehr einfach“, kritisiert Lutz Köhler: „Sie setzt Nahverkehr und Klimaschutz als Variablen in eine Gleichung ein und kommt zu einem negativen Ergebnis. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass gerade im ländlichen Raum nicht jeder Bus angenommen wird, den wir anbieten. Eine Umweltschutzorganisation wird wohl immer zu diesem Ergebnis kommen, denn natürlich ist ein Bus umweltfreundlicher als viele Autos. Nur: Wenn in diesem Bus niemand sitzt, belastet er die Umwelt zusätzlich. Und stellen wir ihn ein, haben wir schlechten Nahverkehr.“ Die methodischen Unsauberkeiten seien wohl auch vor diesem Hintergrund zu bewerten, schätzt Köhler. „Eine aussagekräftige Studie ist das jedenfalls kaum“, sagt er, „eher ein Wunschmodell einer idealen Welt. Auch erinnert der Vergleich etwa mit der Wissenschaftsstadt Darmstadt mit ca. 160.000 Einwohnern eher an den sprichwörtlichen Vergleich von Äpfeln mit Birnen als an eine belastbaren Studie, an der man sich politisch in den nächsten Jahren entlanghangeln könnte.“