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Europa-Nachmittag im Landratsamt

Europa vor der Wahl: Resilient gegen alle Krisen

14.05.2024

Die Podiumsdiskussion brachte verschiedene Ideen der Teilnehmer über Europa zutage. von links nach rechts: Gerhard Werum, Eine Welt Verein Dieburg; Dr. Terenzio Facchinetti, Pulse of Europe; Hildegard Förster-Heldmann, Grüne; Dr. Udo Bullmann, SPD; Michael Gahler, CDU; Erich Heidkamp, AfD; Ajeet Ahmad, FDP; Moderator Dr. Christoph Höck.

Friede und Solidarität in Europa sind keine Selbstverständlichkeit: Das erklärte die Leiterin der Volkshochschule Darmstadt-Dieburg, Anja Simon, beim Europa-Nachmittag anlässlich der Europa-Wahl am 9. Juni am Montagabend im Kreistagssitzungssaal im Landratsamt in Kranichstein. Es liege aber „an uns allen“, dass es weiterhin Frieden und Solidarität gebe, sagte sie zur Begrüßung. Dass Europa seit 2008 durch viele Krisen – Griechenland, Flüchtlinge, Rechtsruck, Brexit, Corona, Ukraine-Krieg – gegangen ist, also seit Jahren eine sogenannte Polykrise erlebt, rief Europa-Forscherin Dr. Carolin Rüger von der Uni Würzburg in Erinnerung. Dennoch, so sagte die Wissenschaftlerin vor etwa 80 Zuhörern, sei Europa aus einer Krise geboren worden, und zwar aus der größten des 20. Jahrhunderts: dem Zweiten Weltkrieg. Seitdem habe die EU Resilienz bewiesen, „das ist quasi der zweite Vorname der EU“, sagte Rüger. Dennoch sei Demokratie etwas Fragiles, „und wir müssen dafür einstehen“.

Der Erste Kreisbeigeordnete und stellvertretende Landrat Lutz Köhler erinnerte sich in seinem Grußwort an eine Fahrt nach Verdun, die ihn sehr beeindruckt habe. Die zehnmonatige Schlacht, eine der verlustreichsten des Ersten Weltkriegs, und die heutige Erinnerungsstätte in Frankreich ließen den Betrachter „einen anderen Blick auf das werfen, was wir erreicht haben in der EU“. Die Europäische Union, so bestätigte Köhler die Ausführungen von Carolin Rüger, beeinflusse die Arbeit des Landkreises jeden Tag. Rüger hatte es mit Beispielen verdeutlicht: Durch die Verordnungen etwa zu Lebensmitteln oder Trinkwasser „essen und trinken wir jeden Tag EU“, hatte sie gesagt.

Demokratie hieße auch Streit, bei 720 Abgeordneten aus 27 Mitgliedsstaaten, die in Europa vom 6. bis 9. Juni gewählt werden, könne dies im Europa-Parlament auch nicht anders sein, sagte Rüger. Und dass die Meinungen durchaus auseinandergehen, wurde bei der von Dr. Christoph Köck, Verbandsdirektor des Hessischen Volkshochschulverbands, moderierten Podiumsdiskussion deutlich. An die Kandidaten stellte er die Frage, wie denn Europa in fünf Jahren – dann steht die nächste Europawahl an - aussehen müsse. „Das hängt davon ab, ob Russland den Krieg gewinnt“, sagte Michael Gahler, Europaabgeordneter für die CDU. „Putin kämpft gegen alle Werte, für die Europa steht.“ Udo Bullmann, SPD-Europaabgeordneter, sagte, dass Europa seine Identität nicht aufgebe. Im Gegenteil: Europa sei eine Chance, seine eigene Identität zu bewahren und „in etwas Größerem aufzugehen, um Krisen zu meistern“. Ajeet Ahmad, Kandidat der FDP, würde einen europäischen Bundesstaat begrüßen mit einer gemeinsamen Armee. Für Erich Heidkamp, Bewerber der AfD kann nur ein starkes Deutschland die Sicherheit der EU gewährleisten. Das sah die Landtagsabgeordnete Hildegard Förster-Heldmann (Grüne) anders: „Mehr Solidarität, mehr Demokratie“ lautete ihr Credo. Die „Kleinstaaterei“ sei wichtig für die Identität.

Für Dr. Terenzio Facchinetti von der Bürgerinitiative Pulse of Europe ist das größte Problem „die Zersplitterung, wie sie Putin will“. Und Gerhard Werum vom Eine Welt Verein Dieburg könne Europa mit fairem Handel ein Zeichen setzen, wie eine andere Welt möglich sei.

Ob die jungen Wähler – zum ersten Mal darf bei der Europawahl in Deutschland ab 16 gewählt werden – diese andere Welt mitentscheiden wollen, ist laut Europa-Forscherin Dr. Carolin Rüger noch nicht raus. „Die Begeisterung hält sich noch in Grenzen, viele fühlen sich nicht gut informiert.“ Über alle Altersgruppen hingegen hat das Interesse an der Europawahl seit 2019 deutlich zugenommen. In allen Ländern. 

tb

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