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80 Jahre Ende des Zweiten Weltkriegs

„Erinnerungsarbeit ist aktiver Friedensdienst“

12.05.2025

Landrat Klaus Peter Schellhaas sprach in seinem Impulsvortrag von der Notwendigkeit des Erinnerns. (c) Meike Mittmeyer-Riehl, Gemeinde Münster/Hessen

Evangelisches Dekanat Vorderer Odenwald veranstaltete Gedenken auf dem Muna-Gelände in Münster/Kooperation mit Landkreis und Gemeinde

Der Weg zum Ort des Gedenkens erfordert einen Fußmarsch und führt durch Sperrgebiet. Schilder mahnen: „Lebensgefahr!“ „Betreten verboten!“ Ein Großteil des Muna-Geländes in Münster ist heute noch mit Munition verseucht und sich selbst überlassen. Ein Biotop.

Krieg und Frieden: Auf Initiative des Evangelischen Dekanats Vorderer Odenwald gedachten rund 130 Menschen am Abend des 8. Mai vor dem Ausstellungsbunker Munatur dem Ende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren. Münsters Bürgermeister Joachim Schledt verwies in seiner Begrüßung auf die Erinnerungsbemühungen der Gemeinde und die wechselvolle Geschichte des Muna-Geländes; im Zweiten Weltkrieg wurde hier Munition produziert, nach Kriegsende lagerte die US-Army Atomsprengköpfe. „Der 8. Mai ist die markanteste Zäsur des 20. Jahrhunderts. Es ist gut, dass wir uns heute zu dieser Gedenkveranstaltung versammeln“, sagte Dekan Joachim Meyer. Er erinnerte an die 60 Millionen Menschen, die im Zweiten Weltkrieg ihr Leben verloren hätten. Die Worte des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker „Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung“ hätten im dritten Jahr des Krieges in Europa nichts von ihrer Aktualität verloren. „Erinnerungsarbeit heutzutage ist aktiver Friedensdienst.“

Im Landkreis ein einmaliger Ort
Fünf Impulse zu Krieg und Frieden, dazwischen Saxofonklänge von Alexander Gärtner, die von Sehnsucht und Frieden erzählen – so gestaltete sich der Abend, den Annette Claar-Kreh, Referentin für Gesellschaftliche Verantwortung im Evangelischen Dekanat Vorderer Odenwald, initiiert und in Kooperation mit dem Landkreis Darmstadt-Dieburg und der Gemeinde Münster organisiert hat.

Den Beginn machten Dr. Holger Köhn und Christian Hahn vom Büro für Erinnerungskultur in Babenhausen. Sie haben die Ausstellung „Munatur“ in dem ehemaligen Bunker auf dem Muna-Gelände konzipiert. „Es gibt so einen Ort nicht nochmal im Landkreis Darmstadt-Dieburg“, sagte Christian Hahn. Um die Munitionsanstalt zu errichten, die wichtig für die Rüstungsindustrie war, wurden seinerzeit 333 Hektar Gemeindewald beschlagnahmt, führte Dr. Holger Köhn aus. Das Areal war militärisches Sperrgebiet, die Arbeit unterlag strengster Geheimhaltung. Noch immer ist der Kampfmittelräumdienst zugange. Um alle Munition zu räumen, würde er 1000 Jahre brauchen, so Köhn. Nach Kriegsende kamen die Amerikaner und prägten Münster sehr. „Sie waren Freunde und haben die Popkultur hierher gebracht.“

Muna als Beispiel für den prekären Frieden in der Nachkriegszeit
„Wir reden oft in Deutschland von achtzig Jahren Frieden, aber die ersten 45 Jahre nach 1945 waren alles andere als friedlich“, sagte Kevin Dunn, Oberstleutnant a.D. der US-Army, im zweiten Impuls. Die Muna sei ein gutes Beispiel dafür, wie prekär der Frieden während des Kalten Krieges tatsächlich gewesen sei. In Deutschland hätten sich Tausende von taktischen Atomwaffen befunden, jede mit der Sprengkraft der auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfenen. Glücklicherweise seien sie nie zum Einsatz gekommen. Die aktuelle Situation erinnere ihn an die Remilitarisierung unter Adenauer 1949, so Dunn. Um Russland und seine imperialistischen Pläne aufzuhalten, sehe er keine andere Möglichkeit, als eine europäische Aufrüstung. „Diplomatie kann nur dann erfolgreich sein, wenn beide Parteien akzeptieren, dass sie die andere Partei nicht durch militärische oder wirtschaftliche Überlegenheit zwingen können.“

Notwendigkeit des Erinnerns

Durch die Amerikaner sei nach Kriegsende eine große persönliche Freiheit möglich geworden und der Aufbau eines demokratischen Staates. „Für mich ist das Grund zur Dankbarkeit und eine Verpflichtung“, sagte Pfarrer Johannes Opfermann. Er erinnerte an die biblische Friedensvision, in der Schwerter zu Pflugscharen werden und die Menschen keinen Krieg mehr führen. „Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung begünstigen den Frieden.“ Dass es einen Krieg quasi vor der Haustür geben und die Demokratie bedroht sein könnte – „das alles war für mich unvorstellbar“, sagte Landrat Klaus Peter Schellhaas. Die Gräuel des Ersten und des Zweiten Weltkriegs wirkten nicht. Er sehe das Fehlen einer institutionalisierten Erinnerungskultur und die Notwendigkeit des Erinnerns. Die werde vor allem von den Kirchen getragen, wofür er dankbar sei.

Der letzte Impuls schaute in die Zukunft und fragte danach, wie Frieden gehen könnte. Die Antwort gaben Michelle Heberer, Finja Lehmann und Ole Görges von der Evangelischen Jugend des Dekanats Vorderer Odenwald. Sie stellten fest, dass Frieden und Sicherheit untrennbar miteinander verbunden seien. Dies könne das Bild eines Zauns symbolisieren, der Abgrenzung schaffe, aber auch Schutz. Damit die Menschen miteinander in Kontakt blieben, brauche der Zaun eine Öffnung – ein Tor. Das symbolisiere den Dialog. Das Resümee der jungen Leute: „Frieden entsteht nicht durch Isolation, sondern durch Kooperation.“

www.muenster-hessen.de/muna/

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