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Offener Brief

Axt-Angriff auf Ex-Partnerin – dazu die richtigen Worte finden…!

06.03.2024

Offener Brief:

Liebe Medienvertreterinnen und Medienvertreter,

am 15. Februar ereignete sich in Ober-Ramstadt ein sehr schweres Gewaltverbrechen, ausgeübt von einem Mann an seiner geschiedenen Frau. Angesichts dieser Brutalität die richtigen Worte zu finden, ist manchmal gar nicht so einfach. Aus diesem Grund möchten wir Ihnen gerne ein paar Hintergrundinformationen geben, die für Ihre weitere Arbeit hilfreich sein könnten.

Warum ist es wichtig das Gewaltverbrechen richtig zu benennen?

Der Angriff mit der Axt zielte darauf ab, die Frau zu ermorden. Wenn man von einer „Beziehungstat“ oder einem „Familiendrama“ spricht, dann vermittelt das den Eindruck, dass diese Handlung aus der Beziehung heraus geschehen ist und die Frau möglicher Weise einen Anteil daran hat. Diese Bezeichnungen nehmen dem Geschehen die Härte. Doch es ist wichtig, zu sagen, was ist: Ein Mann nimmt sich aus einem Gefühl der männlichen Überlegenheit oder eines Besitzdenkens das Recht heraus, seine Ex-Frau umzubringen. Die fachlich korrekte Bezeichnung dafür ist Femizid.

Wie kommt es dazu?

Gewalt gegen Frauen ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, kein individuelles. Jeder vierten Frau[i] wird im Laufe ihres Lebens von einem aktuellen oder Ex-Partner Gewalt angetan. Das hängt im Kern mit gesellschaftlichen Rollenbildern und fehlender Gleichstellung zusammen. Es hat sich in Sachen Gleichstellung schon viel getan, aber Frauen werden nach wie vor als weniger intelligent, durchsetzungsfähig, selbstbewusst, erfolgreich, charismatisch (…) in unserer Gesellschaft wahrgenommen und dargestellt. Aufgrund dieser Rollenzuschreibungen kommt es dazu, dass Männer sich überlegen fühlen und glauben, die Frau sei ihnen unterlegen oder müsse ihnen zu Willen sein. Auch das in unserer Gesellschaft noch tief verankerte „Ernährermodell“ trägt dazu bei, dass ökomische Abhängigkeiten Männern das Gefühl von Überlegenheit, Macht und Kontrolle in der Beziehung zu ihrer Partnerin geben.

„Blut überströmt“, „Laut um Hilfe schreiend“ – gehört der Grusel dazu?

Aus unserer Sicht gehört es dazu, die Würde der betroffenen Frau zu wahren. Eine reißerische Darstellung macht die betroffene Frau erneut zum Opfer. Jeder und jedem ist klar, dass ein Angriff mit einer Axt zu schwersten Verletzungen geführt haben muss. Der Gruselfaktor wird für das soziale Umfeld der Frau zu einer weiteren Hürde im Umgang miteinander nach der Tat.

Wer oder was kann helfen?

Es gibt im Landkreis Darmstadt-Dieburg ein eigenes Hilfesystem für Frauen die von häuslicher oder sexualisierter Gewalt betroffen sind. Ausgebildete Fachberaterinnen arbeiten in Fachberatungs- und Interventionsstellen daran, Frauen in Gewaltbeziehungen beim Ausstieg zu helfen. Es gibt auch zwei Frauen- und Kinderschutzhäuser, die im Notfall Zuflucht bieten.

Im Netzwerk Gewaltschutz - Prävention und Schutz gegen häusliche und sexualisierte Gewalt an Frauen, Mädchen und Jungen in der Wissenschaftsstadt Darmstadt und dem Landkreis Darmstadt-Dieburg arbeiten übergreifend in Stadt und Landkreis alle mit im Gewaltschutz tätigen professionellen Akteurinnen und Akteure, auch mit der Polizei, zusammen. Seit mehr als 25 Jahren arbeitet dieses Netzwerk daran, Gewaltsituationen durch ein aufeinander abgestimmtes, professionelles, kommunales Hilfesystem optimal aufzugreifen, mit Präventionsarbeit die Entstehung, Verfestigung und Eskalation von sexualisierter und häuslicher Gewalt zu verhindern und die Öffentlichkeit zu sensibilisieren. Nähere Informationen finden Sie unter dem Link: https://www.ladadi.de/gewaltschutz

Das deutschlandweite Hilfetelefon (116 016) ist eine Institution im Gewaltschutz und sollte als Anlaufstelle in jeder Berichterstattung genannt werden, weil es dort niedrigschwellige Hilfe rund um die Uhr und in 18 Sprachen gibt. Von dort werden betroffene Frauen auch an regionale Fachberatungsstellen weiter vermittelt.

Eine Selbsthilfegruppe wie der Verein T.o.B.e. kann diese professionelle Arbeit nicht ersetzen und ist aufgrund  der fehlenden Fachkenntnisse zur (Hoch-) Risikoeinschätzung, Beratung und des fehlenden Zugangs zu Schutzräumen keine geeignete Fachstelle für betroffene Frauen und sollte daher nicht als Anlaufstelle benannt werden. An dieser Stelle ist die Unterscheidung zwischen professioneller Hilfe und Selbsthilfe von besonderer Bedeutung.

 

Vielen Dank, dass Sie sich diesem Thema annehmen!

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Mareen Hechler

Leiterin Büro für Chancengleichheit Landkreis Darmstadt-Dieburg

Mit-Geschäftsführerin Netzwerk Gewaltschutz

 

Ursula Pavez Sandoval

Geschäftsführerin Verein Frauen helfen Frauen e.V. in Dieburg

Mitglied im Netzwerk Gewaltschutz

Ute Günther

ppa Leitung pro familia Darmstadt/Bensheim

Mitglied im Netzwerk Gewaltschutz

Quelle: https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/frauen-vor-gewalt-schuetzen/haeusliche-gewalt/formen-der-gewalt-erkennen-80642

mm

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