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Afrikanische Schweinepest im Landkreis Darmstadt-Dieburg – Bilanz, Ausblick und ein Appell

Ein Jahr Krisenmanagement – der Kampf gegen die ASP geht weiter

23.07.2025

Hinweisschild im ASP-Infektionsgebiet: Schilder wie dieses sind an vielen Orten angebracht und informieren über Schutz- und Verhaltensregeln zur Eindämmung der Afrikanischen Schweinepest. (c) Lisa Lange, Landkreis Darmstadt-Dieburg

Darmstadt-Dieburg. Vor einem Jahr wurde im Landkreises Darmstadt-Dieburg in Pfungstadt erstmals ein Wildschwein positiv auf die Afrikanische Schweinepest (ASP) getestet. Seitdem ist viel passiert: Intensive Seuchenbekämpfung, enge Zusammenarbeit mit Jägerschaft, Landwirtschaft, Forst und Behörden – und ein Dauereinsatz für das Veterinäramt sowie den Fachbereich Landwirtschaft und Umwelt des Kreises. Der Erste Kreisbeigeordnete und für Tierseuchenbekämpfung zuständige Dezernent Lutz Köhler zieht zum Jahrestag eine Zwischenbilanz.

Über 393 ASP-positive Funde – intensive Eindämmung durch Zäune und Fallwildsuche

Seit dem Erstfund Ende Juli 2024 wurden im Landkreis insgesamt 393 ASP-positive Wildschweine (Stand: 22.Juli, 7 Uhr) nachgewiesen. „Wir haben schnell und konsequent reagiert – mit festen Zäunen, intensiver drohnengestützter Fallwildsuche, mehreren Kadaversammelstellen und einer engen Zusammenarbeit mit der Jägerschaft“, so Lutz Köhler. Auffällige und kranke Tiere konsequent entnommen, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. „Der Dank gilt den vielen Beteiligten, die teils unter schwierigen Bedingungen geholfen haben – sei es in den denn betroffenen Städten und Gemeinden, in der Landwirtschaft und Jägerschaft oder im Verwaltungsstab“, betont Köhler.

Landwirtschaft unter Druck – Maßnahmen zeigen Wirkung

Besonders für die betroffenen Schweinehalter brachte der ASP-Ausbruch einschneidende Einschränkungen. In der Sperrzone III, deren Einrichtung auf EU-Vorgaben zurückzuführen ist, mussten Betriebe mit strengen Auflagen leben, einige konnten über Wochen keine Tiere vermarkten. Auch für die Landwirtschaft war die Seuche spürbar, etwa durch Betretungsverbote und Auflagen bei der Ernte. Dabei ist hervorzuheben, dass der Landkreis trotz aller Herausforderungen bewusst kein generelles Ernteverbot – wie vom Land Hessen ursprünglich gewünscht – ausgesprochen hat. So konnte die Ernte weitgehend stattfinden, was für viele landwirtschaftliche Betriebe eine existenzielle Erleichterung war. Karlheinz Rück, Kreislandwirt, betont: „Die Zusammenarbeit mit der Kreisverwaltung war gut und pragmatisch. Die Entscheidung, kein generelles Ernteverbot auszusprechen, war für viele Betriebe existenziell wichtig. Trotzdem bleiben die Einschränkungen spürbar – wir hoffen auf weitere praktikable Lösungen und klare Unterstützung durch das Land, aber auch den Bund. Denn mit unseren Maßnahmen schützen wir nicht nur die Region, sondern auch andere Bundesländer wie etwa Bayern – auch deshalb ist der Bund hier in der Verantwortung.“

„Wir haben viel unternommen, um betroffene Betriebe zu unterstützen. Aber klar ist: Die ASP bleibt eine ernste Bedrohung für Tiergesundheit und Wirtschaft“, sagt Köhler. Der Kreis habe sich in enger Abstimmung mit dem Land Hessen und benachbarten Landkreisen stets um praktikable Lösungen bemüht – „aber einfach war es nie“.

Frühe Jagd-Freigabe und Abschussprämie zeigen Wirkung

Als erster Landkreis in Hessen hat man zudem eine Abschussprämie eingeführt, um die Bejagung von Wildschweinen zu intensivieren – ein wichtiges Mittel zur Seuchenbekämpfung. Bis heute wurden über 1.500 Wildschweine im Kreisgebiet erlegt.

Digitalisierung hilft bei der Bewältigung der Krise

Ein wichtiger Baustein im Krisenmanagement war auch die Digitalisierung: Viele notwendige Anträge – etwa für Ausnahmegenehmigungen bei der Ernte oder die Kadaverfundmeldung – konnten der Landkreis digitalisieren. Das hat nicht nur zu enormen Erleichterungen für Bürgerinnen und Bürger sowie Betriebe geführt, sondern auch intern viele Prozesse beschleunigt. Dabei hat der Kreis stets darauf geachtet, so wenig Bürokratie wie möglich und nur so viel wie nötig einzuführen.

Dauerbelastung für Personal, Material und Finanzen – Zäune immer wieder beschädigt

Ein Jahr ASP bedeutet auch ein Jahr intensiver Personaleinsätze, hoher Kosten und permanenter Improvisation. Nahezu jede Woche werden Schutzzäune beschädigt – durch Wetter, Wildtiere oder leider auch durch menschliches Fehlverhalten. Die Folge: regelmäßige Reparatureinsätze und steigende Instandhaltungskosten.

„Die laufenden Ausgaben – allein für Zäune, Fallwildsuche, Entsorgung und Laborkosten – summieren sich längst auf einen Millionenbetrag“, so Köhler. „Das ist für einen Landkreis nicht dauerhaft zu stemmen.“ Bereits im Jahr 2024 musste der Kreis rund 1 Million Euro außerplanmäßig aufbringen. Für das Jahr 2025 rechnet der Landkreis Darmstadt-Dieburg mit einem Gesamtaufwand von etwa 3,6 Millionen Euro zur Bekämpfung der Afrikanischen Schweinepest. Der Haushaltsplan sieht unter anderem rund 1,5 Millionen Euro für den Drohneneinsatz zur Suche nach verendeten Wildschweinen vor, etwa 200.000 Euro für Kadaversuchhunde oder alternative Bejagungsmaßnahmen, rund 200.000 Euro für verstärkte Jagd, rund 1,0 Million Euro für Ersatzleistungen bei Wildschäden und Ernteverlusten sowie etwa 405.000 Euro für Sammelstellen, Entsorgung, Ausrüstung, Desinfektion und den Transport zum Labor.

Kritischer Blick Richtung Wiesbaden – Rückzug des Landes spürbar

Dass sich das Land Hessen zunehmend aus dem operativen Geschäft zurückzieht, bewertet der Kreis grundsätzlich positiv – eine klarere Zuständigkeitsverteilung ist sinnvoll. Nicht hinnehmbar ist jedoch, dass die Finanzierung der Maßnahmen mehr und mehr auf die kommunale Ebene abgewälzt wird. Hier braucht es dringend eine gerechtere Lastenverteilung und verlässliche Unterstützung durch das Land.

Blick nach vorn: ASP bleibt herausfordernd

Die Lage im Landkreis gilt derzeit als stabil, neue Funde gibt es aber weiterhin. Dennoch bleibt die Gefahr eines Überspringens in neue Gebiete, insbesondere in den östlichen Landkreis und den angrenzenden Odenwaldkreis. „Solange das Virus im Wildtierbestand zirkuliert, können wir nicht aufatmen“, sagt Köhler. „Wir müssen weiter wachsam sein, denn es reicht ein einziger infizierter Kadaver, um alles aufs Spiel zu setzen.“

Appell an Bevölkerung und Jägerschaft

Zum Jahrestag appelliert der Kreis an die Bevölkerung, auch weiterhin aufmerksam zu sein: Fallwild soll unverzüglich gemeldet, Zäune nicht beschädigt werden. Die Zusammenarbeit mit der örtlichen Jägerschaft lobt Köhler ausdrücklich: „Ohne die Unterstützung der Revierinhaber wäre vieles nicht möglich gewesen.“ Erich Mehring, Kreisjagdberater, ergänzt: „Die ASP-Bekämpfung ist für die Jägerschaft eine enorme Herausforderung. Dennoch haben sich viele Revierinhaber mit großem Engagement eingebracht – sei es durch intensive Fallwildsuche, verstärkte Bejagung unter den Bedingungen der Seuchenbekämpfung oder Unterstützung bei den Zäunen. Diese Solidarität war und ist unverzichtbar.“ Ein Jahr nach dem ersten ASP-Fall steht fest: Die Bekämpfung der Tierseuche ist ein Kraftakt – organisatorisch, personell und finanziell. Noch ist sie nicht überwunden.

mm

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